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Glücksspielstaatsvertrag 2012 – Was ändert sich?

In regelmäßigen Abständen schauen die Ministerpräsidenten in die Landeskasse, stellen mit Entsetzen fest, dass chronische Leere gähnt und erinnern sich an das immer wiederkehrende Glück, welches ihnen der Glücksspielstaatsvertrag mit sprudelnden Einnahmen sichert. Dahinter steckt nicht nur ein System sondern inzwischen eine Garantie. In diesem Jahr hat zudem der europäische Druck dazu geführt, dass die Rechtsprechung spürbar geändert wurde.

Der Umstand, dass Schleswig-Holstein sich jedes Mal etwas ziert, wenn es um die Neuauflage des Vertrages geht, liegt natürlich auch daran, dass im windigen Norden traditionsgemäß viele Sportwetten und Lotto Anbieter ihre Heimat gefunden haben. Dieses Bundesland gibt sich eigentlich dem größten Spott preis. Im März noch mit breiter Brust ein isoliertes Glücksspielgesetz ins Rennen geschickt, will man sich jetzt trotzdem dem eigentlichen Mutter-Vertrag anschließen. Dann hätte man es besser gleich bleiben lassen sollen.

Immerhin: Der bundesweite GlüStV in der neuen Fassung vom 1. Juli 2012 hat schon einiges bewirkt. William Hill sperrt deutsche Spieler aus. Die Freude auf beiden Seiten ist natürlich riesengroß. Wenn Sportwetter nicht mehr wetten und Buchmacher nicht mehr buchen dürfen, können sich die Landesfürsten wie immer lachend auf die Schenkel klopfen und ohne Zögern allen ihr staatliches Monopol aufdrücken.

Jammern nützt ja leider nichts. Also sehen wir uns den neuen Glücksspielstaatsvertrag einmal näher an. Was ändert sich genau bzw. was steht drin in dieser tollen Idee der Bevormundung spiel- und wettbegeisterter Menschen in Deutschland?

Quintessenz

Experten, oder solche, die sich so nennen, haben nun für viel Geld herausgefunden, dass das Suchtpotential bei den diversen Glücksspielen unterschiedlich ist. Das soll die Quintessenz sein im neuen Glücksspielstaatsvertrag. Sie haben richtig gelesen. Sucht ist nicht gleich Sucht! Zukünftig wird ganz genau unterschieden zwischen klassischen Casinospielen wie Roulette, den Spielhallen mit ihren Novoline Geräten wie Book of Ra oder Sportwetten auf Hunde, Pferde, Bälle oder alles andere, was sich bewegt.

Fragen Sie doch einmal bei der nächsten Alkohol-Suchtberatung nach, ob es nicht eine gute Idee wäre, mit teuren Studien auf Staatskosten untersuchen zu lassen, inwiefern ein Alkoholiker durch zwei Schluck Brandy mehr gefährdet wird als mit einer Dose kühlem Hansa-Pils im Rachen. Das Kopfschütteln, welches Ihnen entgegengebracht werden wird und der mitleidig zugeworfene Blick, das sollten Sie sich nicht so zu Herzen nehmen. Das zum Thema Quintessenz.

Sportwetten

Im Bereich der Sportwetten können Buchmacher Konzessionen erwerben und das sieben Jahre lang. Diese Freifahrtscheine sind auf 20 Stück begrenzt. Natürlich müssen Abgaben entrichtet werden, denn ohne neue Steuer kein warmes Feuer. Satte 5% der Einsätze fließen in die Taschen der gewählten Volksvertreter. Das ist mehr als die Zero-Steuer beim Roulette. Wo wir gerade dabei sind: In Spielhallen oder Spielbanken darf selbstverständlich keine Vermittlung von Sportwetten stattfinden. Das wäre ja noch schöner.

Die beliebten Ereigniswetten, also das Wetten darauf, wer z.B. auf dem grünen Rasen während des laufenden Spiels als nächster einen Elfmeter zugesprochen bekommt, sind verboten. Nur auf das Endergebnis darf Geld gesetzt werden.

Nun stehen bald bis zu 20 Konkurrenten neben dem staatlichen Einheits-Buchmacher Oddset und kämpfen um den großen Kuchen. Den Ministerpräsidenten ist es wahrscheinlich egal, wer an welcher Ecke nascht. Die 5% der „bösen“ Buchmacher sind ihnen sicher, und Oddset sorgt für den Rest.

Spielen und Wetten im Internet

Der Amboss steht. Wie bisher darf im Internet keine Wette oder Glücksspiel veranstaltet oder vermittelt werden. Die seit Jahren vorgeschobenen Suchtgründe sind schlichtweg Täuschungsmanöver. Niemand scherte sich darum, ob eine Spielhalle rund um die Uhr öffnet oder ob an jeder Straßenecke eine neue gebaut wird. Solang das Geld fließt, ist alles egal.

Im Internet kann jeder freie Kaufmann ein eigenes Online Casino eröffnen, im entsprechenden Land die dort rechtsgültige Lizenz erstehen. Weil die deutschen Landeskassen nichts davon abbekommen, wird es verboten. So einfach kann die Welt sein. Nicht einmal die staatlich lizenzierten Spielbanken in Deutschland dürfen im Internet online gehen obwohl das in anderen Ländern schon praktiziert wird. Zwischen Gedankenlosigkeit und Irrsinn wankt der Gesetzgeber mit solchen Regelungen hin und her.

Weil man sich einfach nicht an den Gedanken gewöhnen kann, dass Poker kein reines Glücksspiel ist, gilt für das beliebteste Kartenspiel der Welt das Gleiche wie für alle anderen Casino Spiele. Das Veranstalten im Internet ist nicht erlaubt. Gut, dass sich die großen Poker Seiten und Online Casinos von diesem Tarzangebrüll nicht beeindrucken lassen. Nur mit einer Internetzensur wie in China und Russland oder völligen Wahnwitz-Gesetzen wie in den USA kann man den mündigen Bürger von seiner freien Wahl des Glücksspiel-Anbieters zwangsweise entbinden. Dazu sind die deutschen Behörden noch nicht bereit.

Ach ja, ein Schlupfloch ließ man offen. Unter bestimmten Umständen dürfen Sportwetten und Lotterien von den Ländern ins Internet geholt werden. Eigenwerbung schadet eben nicht, besonders bei den Angeboten, welche die hauseigene Kasse klingeln lassen.

Werbung im Radio, Fernsehen und Internet

Sie erinnern sich noch an die Quintessenz? Brandy und Hansa-Pils? Wer denkt, das war der eigentliche Höhepunkt, der irrt. Die Regelungen für die Glücksspielwerbung enthalten einen weiteren Knüller. Dazu gleich mehr.

Also, werben darf man für öffentliches Glücksspiel weder im Fernsehen noch im Radio und schon gar nicht im Internet. Neu ist, dass nun die wissenschaftlichen Erkenntnisse der „Hansa-Pils“ Fraktion miteinbezogen werden, wenn es zu entscheiden gilt, was schädliche Werbung ist. Vorher sprach man den Gerichten und der Glücksspielaufsicht die alleinige Herrschaft über diesen Punkt zu.

Natürlich hält der Glücksspielstaatsvertrag auch dieses Mal wieder eine Hintertür offen, die den Landesfürsten zugute kommt. Die Bundesländer dürfen für Pferderennen, Sportwetten und die heißgeliebten Lotterien sogar im Internet werben um ihre Ziele zu erreichen. Ja, Werbung kann sogar Suchthilfe sein. Die Sicht des Betrachters mag sich noch so verschwommen manifestieren. Er selbst glaubt, das sei kein Nebel und vermutet klare Sicht. Bei der Werbung per E-Mail hört der Spaß allerdings auf. Sie ist selbst für die Klar-Seher aus den Landesregierungen verboten.

Jetzt noch der angekündigte Knüller. Irgendwo läuft eine Live-Übertragung eines Sport-Events. Unmittelbar davor und während der Übertragung darf keine Werbung für irgendwelche Sportwetten eingeblendet werden. Der Clou: Für den Wettanbieter aber an sich darf geworben werden!

Das ist die gleiche Logik, als wenn das Werben für Doornkaat Korn verboten wird, aber ein 30 Sekunden Spot der Berentzen-Gruppe, die den Schnaps vertreiben, darf raus in alle Welt. Suchtprävention ist schon ein verrücktes System.

Spielhallen

Nachdem sogar eine Spielhallen-Petition im Bundestag eingereicht wurde, konnte man nicht mehr umher, Geldspielgeräte endlich unter den Mantel des Glücksspiels zu deckeln. Tausende Bürgermeister haben nun Bange, dass es an ihre Einnahmen geht, denn die Besteuerung von Merkur Sonne & Co. Ist horrend und ein sicheres Polster für klamme Kommunen.

Aufsteller der Geräte sind jetzt endlich verpflichtet, den Glücksspielstaatsvertrag zu beachten, bevor in einer Spielhalle, Imbiss oder Gaststätte das frohe Akustik- und Leuchtspiel für wenige Cent Mindesteinsatz an die Steckdose darf. Während für Kneipen und Bratwurst-Buden das Werbeverbot den Gesetzeshütern als ausreichend erscheint, trifft es die Spiel-Paläste schwer.

Die Strategie hat es in sich. Ein Mindestabstand beim Einpflanzen von Spielhallen in die Gemeinde ist einzuhalten. Die Zeiten, in denen man als Einfamilienhausbesitzer direkt rechts und links neben sich eine Halle betrachten durfte, sind vorbei. Ein paar Hundert Meter Abstand ist sicher.

Zudem wurde der Hype um die Mehrfach-Konzession beendet. Bislang konnten Betreiber durch das Sammeln von vielen Konzessionen ganze Spielgeräte-Batterien unter ein Dach packen. Der Unterschied z.B. 12 Geräte bei einer oder 144 bei 12 Konzessionen ist gewaltig und bringt manchen Unternehmer ins Schwitzen, aber daran ist nicht mehr zu rütteln. Die Riesen-Bauten, in denen viele mehrfach konzessionierte Spielhallen zusammengefasst wurden, gehören der Vergangenheit an. Vielleicht lassen dann endlich die Überfälle nach, denn zu holen gibt es nicht mehr viel in den von 400 Euro Kräften „bewachten“ schwülen Mini-Hallen, die der Spieler auffinden wird.

Dazu kommen Sperrzeiten, die den 24 Stunden Betrieb eindämmen. Den gab es teilweise tatsächlich. Während reguläre Spielbanken in der Regel um 2:00 Uhr oder 3:00 Uhr in der Nacht schließen, konnten Spielhallen rund um die Uhr die Türen offen halten. Wenigstens von 3:00 Uhr bis 6:00 Uhr darf der Zocker nun in der Regel zur Ruhe kommen.

Die teilweise penetrante Werbung an den Außenflächen ist verboten. Flackernde „Casino“ Neon-Schilder oder Postertapeten große Abbildungen von Roulette-Kesseln sind abzubauen, abzureißen oder zu übermalen. Jeder Anreiz zum Spiel muss unterbunden werden. Ob man sich daran hält, ist eine andere Sache. Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter weit und breit zu sehen.

Spieler-Sperren

Wer glaubt, eine Sperre sei das letzte Mittel, weil ihn z.B. das Roulette das letzte Hemd vom Leibe reißt oder immer in der letzten Sekunde des Fußballspiels die falsche Mannschaft gewinnt, der kann sich in der Spielbank oder bei seinem Sportwetten-Anbieter sperren lassen.

Eine Sperre in der Spielhalle oder Kneipe wegen Probleme mit Geldspielautomaten ist nicht möglich. Dort kann man höchstens den Inhaber bitten, ein Hausverbot auszusprechen, was natürlich ein echtes Suchtproblem nicht löst sondern nur regional eindämmt.

Klassenlotterie und Pferdewetten

Pferdewetten, die durch das Rennwett- und Lotteriegesetz geregelt werden, können nun im Internet eine weitere Heimat finden. Dafür gelten die gleichen Regelungen, wie sie bei Sportwetten angewendet werden. Die zusätzliche Erlaubniseinholung durch die Länder, wie sie bei Spielhallen vorgesehen ist, ist für Pferdewetten-Buchmachern nicht notwendig.

Die bekannten Lotterien SKL und NKL werden in der GKL vereinigt. Schade, denn die Süddeutsche Klassenlotterie war im Gegensatz zur Norddeutschen Schwester immer einige Prozentpunkte lukrativer.

Damit schließt sich das Kapital Glücksspielstaatsvertrag 2012. Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen ist eine subjektive Angelegenheit. Einen kuriosen Anstrich kann man dem Gesetz jedenfalls nicht absprechen. Und wie immer geht es um den schnöden Mammon.