Wenn für den Croupier die letzte Kugel rollt. Lange ist es her seitdem die letzten Croupier-Lehrgänge ausgerufen wurden. Spielsäle leeren sich langsam. Ob die Menschen nun ihr Geld an der Börse verzockt haben oder durch die schleichende Leiharbeit-Ausbeutung ganz einfach über weniger finanzielle Mittel verfügen, scheint gleichbedeutend. Fakt ist, dass echte Spielbanken irgendwie den Reiz, die Faszination und dadurch ihre Klientel verlieren.
Früher galt die Tätigkeit des Croupiers als Traumberuf. Die Trinkgeldkasse, der Tronc, war stets prall gefüllt. Horrende Gehälter konnten aus diesem Grund gezahlt werden. Jedes Mal, wenn sich die Roulette Kugel drehte, war der Tisch voll gepflastert. Auf der gefallenden Zahl lag immer genug, dass das „Stück für die Angestellten“ von mehreren Spielern gleichzeitig gegeben wurde.
Feiner, schwarzer Zwirn, eine etwas arrogante Grundhaltung, hohe Verdienste und die unmittelbare Nähe zum Alkohol waren die Grundlagen, auf denen sich ein Croupier ausruhen konnte. Man schien unantastbar und für die Ewigkeit abgesichert.
Damals gab es noch die Französischen, breiten Tische. Vier Mann an einem Tisch! Einer passte auf, zwei drehten und unten am Tischende saß der unterste in der Rangfolge zum Einsammeln der Jetons. Die drei am Rouletttisch sitzenden mit ihrem Rateau bewaffnet warfen schwungvoll und mit Geschick die Jetons auf die Zahlen, die Ihnen die hoffnungsfrohen Spieler ansagten.
Der Rechen war wie eine Waffe. Ich selbst sah einen Croupier, der sich mit dem Tischchef stritt und am Schluss vor lauter Wut sein Rateau wegwarf. Man könnte das mit einem Schiedsrichter vergleichen, der seine Pfeife wutentbrannt auf die Tribune schleudert. Ein spektakuläres Schauspiel.
An einem Abend war ein junger Mann zugegen, der gerade sein Erbe verspielte. Nach etlichen Tausendern Verlust besaß er noch einen einzigen 500er Jeton. Der Pechvogel setzte sich wehleidig an den Tisch direkt vor dem Einsatzfeld für Schwarz. Mit zittrigen Händen platzierte er diesen letzten Jeton. Der ganze Saal war schon auf ihn aufmerksam geworden, beobachte sein Treiben. Wie mit einem Donnerschlag knallte der Croupier die Kugel in den Kessel. Dem jungen Mann müssen die Sekunden bis zum Kugelfall wie Stunden vorgekommen sein. Er schlug die Hände vor das Gesicht, und man konnte merken, dass es dem Ende zuging.
Die Kugel fiel. „19, Rot, Impair, Passe“ rief der Croupier seinem Opfer süffisant zu. Den durchzuckte es wie vom Blitz getroffen. Als sich der Rechen näherte um die verlorenen Einsätze abzukratzen, warf der junge Mann panisch beide Hände auf seinen letzten 500er Jeton, der noch auf dem Schwarz-Feld liegend seinem Schicksalsweg erst in die Masse und dann in die Lage des Casinos entgegensah.
Er, der alles riskierte und alles verspielte, wollte das letzte Geld einfach nicht hergeben. Erst als der Saalchef und zwei Croupiers behutsam aber deutlich auf ihn einredeten, hob er nach einigen Minuten die Hände und gab die Beute preis. Mit leeren Taschen und hängendem Kopf verließ er das Casino. Man sah ihn nie wieder.
Ja, solche Geschichten, die gibt es viel zu erzählen. Und heute? Jetzt regieren seelenlose Stehtische das Geschehen, an dem nur noch ein Dealer und sein Aufpasser und nicht mehr vier Personen ihr Tagwerk verrichten. Aus prunkvollen Unterhaltungstempeln sind personalsparende Abfertigungshallen geworden. In der Spielbank ist der Croupier nur noch Nebensache. Dazu kommen die neuartigen Touchbet Roulette Automaten, deren Druckluft die Hand des Croupiers ersetzt. Sie greifen aber ebenso Trinkgeld ab, was der Spieler einer Maschine niemals freiwillig geben würde.
Schon lange können die Angestellten der Spielbank nicht mehr vom Trinkgeld leben. Für viele ist aus dem einstigen Traumberuf ein Horror geworden. Das staatliche Misstrauen ist nichts Neues. Mit zugenähten Taschen dürfen die Croupiers die Spieler bedienen. Wer auf dem Bock sitzt, muss bei der Ablöse das Kissen umdrehen, damit sichergestellt wird, dass keine Jetons darunter versteckt sind.
Wie ein Handkasper müssen die am Tisch arbeitenden in die Hände klatschen, wenn alle halbe Stunde ein neuer Kollege kommt. Man behandelt sie wie potentielle Verbrecher. Ihnen werden Tricks beim Roulette unterstellt. Unzählige Kameras überwachen das ganze Geschehen.
Früher durften sich die die Croupiers eigentlich noch nicht einmal mit den Gästen unterhalten. Wer selbst spielen ging, gab seinen Kollegen doppeltes Trinkgeld. Davon kann heute auch keine Rede mehr sein. Man darf nicht vergessen, dass dieser Beruf in der freien Wirtschaft ohne Wert ist. Einmal entlassen ist der Weg in die weitere Zukunft schwer.
Die Frage, ob Croupier immer noch ein Traumberuf ist, lässt sich mit einem eindeutigen „Nein“ beantworten. Die Zukunft wird zeigen, ob sich die Casinos vom Niveau her immer mehr den Spielhallen annähern oder ob auch wieder Stammgäste zurückkehren, die intuitiv und mit Roulette Systemen bewaffnet der Kugel ein paar Euro abgewinnen möchten. Die Strategie der Oberen, welche oft leider überhaupt keine Ahnung davon haben, was sie tun, muss flexibel werden.
Jahrzehntelang haben Innovations-Greise dem Obersten Sowjet gleich geglaubt, die Golddukaten würden vom Esel, dem Spieler, bis in alle Ewigkeit geschissen. Nun wird die Führungsriege der staatlich konzessionierten Casinos in Deutschland Überlegungen ans Land holen müssen, die einen akzeptablen und für die Angestellten überlebbaren Betrieb sicherstellen.
Früher galten Frauen im Croupier-Beruf als undenkbar, so wie auf U-Booten. Wenn aus Altersgründen irgendwann wieder zwangsläufig Lehrgänge ausgerufen werden, bleibt zu hoffen, dass der weibliche Anteil wie in den letzten Jahren sichtbar bleibt, denn eine feminine Note hat noch keiner Spielbank geschadet.